Der Graf sah auf seine Arbeiter. Er war in der Tat ein echter Graf, aber er war alles andere als geboren um zu leben, denn er war tot, schon sehr lange. Seine unheilige Existenz währte schon ewig könnte man sagen. Er war schon alt gewesen, als Heiner Geißlers Karriere angefangen hatte, ja schon alt gewesen, als Joopie Heesters geboren war. Er hatte vieles erlebt in seinem Leben, beziehungsweise in seiner Existenz.

Aufstände, Prunk, Krieg, Rebellionen, Widerstände, Volksaufstände und Massenproteste. Er hatte die unterschiedlichsten Menschen getroffen. Reiche, Arme, Mächtige und Machtlose, ganze Generationen. Aber diese Arbeiter waren das mit Abstand Faulste, was er je erlebt hatte und er hatte einst Fronarbeiter auf den Feldern seiner Grafschaft gehabt. In Gedanken verfluchte er diesen Emporkömmling Lincoln, der die Sklaverei abgeschafft hatte, wie auch diese fischfressenden Inselaffen auf ihrer liberalen Insel. Hätten sie ihre Nase nicht in ihre eigenen Angelegenheiten stecken können? Aber vermutlich musste man liberal sein, wenn man dort lebte. Denn die Engländer konnten nicht kochen und deren Frauen waren alles andere als eine Augenweide. So dass er, nur wenn er keine andere Wahl hatte, Engländerinnen gebissen hatte.

Zu gerne würde er diesen Umzugshelfern die Peitsche um die Ohren schlagen, aber er durfte um keinen Preis auffallen. Daher hatte er Freiburg gewählt! Ein anderer Vampir hatte ihm gesagt, dort liefen so viel „Freaks“ (was auch immer ein Freak war) umher, da würde er kaum auffallen. Na hoffentlich hatte er damit Recht.

Hier in Freiburg hatte also alles einst begonnen, ob hier auch alles enden würde? Und was war das Ende?

Es gab einmal ein Sprichwort. Man muss nur sterben und Steuern zahlen, beides hatte er bisher vermieden. Bis in den letzten Jahren. Mittlerweile ging es nicht mehr ohne, man musste sich registrieren lassen. Diese mickrigen Beamtenexistenzen wollten für alles einen Stempel, einen Durchschlag oder sonstige Papiere. Am liebsten wäre es denen, wenn man ihnen noch Tagesprotokolle schreiben würde über jede Minute verbrachten Lebens. Früher war es viel einfacher gewesen. Wenn dort ein Steuereintreiber des Königs oder sonstwer auftauchte, wurde er entweder erschossen, gebissen oder wurden die Hunde auf ihn gehetzt und dann war das Problem in der Regel erledigt. Das waren noch Zeiten! Aber diese modernen Regierungsapparaturen machten ihm einen Strich durch die Rechnung, so dass er beschlossen hatte, um allzu wachsamen Augen zu entgehen, direkt in der Höhle des Löwen zu wohnen. Vielleicht übersah man ihn so leichter? Wer wusste das schon so genau?

Der Graf hatte sich auch ein Buch gekauft. Wie heutige Menschen sich die Wohnung dekorierten. Wo hatte er es? Er zog es hervor und sah dann, dass es aus dem Jahr 1994 war… so viel zu modern. Er musste wohl erneut los, um sich ein neues zu besorgen, denn er wollte um keinen Preis zu sehr auffallen. Nicht, dass man die Morde, die früher oder später erfolgen würden, ihm in die Schuhe schob. Er befürchtete sonst, dass er wie die Vampirin Diana von einer Pressemeute verfolgt in einem Tunnel dann mit einem Automobil gegen eine Wand prallen und daraufhin vom Feuer vernichtet würde.

Was für ein Schlag für die ganze Vampirheit, eine Vampirin im europäischen Hochadel. So träumte er bald von seiner Vergangenheit, die mehr oder weniger ruhmreich war. Je nachdem welche Maßstäbe man anlegte. Kurz dachte er an seine Zeit im Vampirgefängnis, wieviel Jahre hatte er verpasst? Fast 170 Jahre, die ihm durch Intrigen seiner Feinde gestohlen worden waren. Aber er hatte schon schlimmeres überstanden. Er verdrängte es schnell. Er sinnierte, ins Feuer blickend.

Warenkorb
Nach oben scrollen