
Eine Geschichte frei nach Paul Watzlawick.
Gib mir Deinen Hammer, aus der Sicht von Alex
In einer kleinen Mietwohnung, zwischen Topfpflanzen und einem Stapel feministischer Essays, lebte Alex, eine non-binäre Transperson mit einem Plan: Ens wollte ein Bild der wunderschönen Georgine Kellermann aufhängen – eine Frau, die mit jedem Blick die Welt zu verändern schien. Doch es gab ein Problem: Alex besaß keinen Hammer. Hammer waren für Ens Symbole des Patriarchats – grob, laut, einfach unnötig Macho. Normalerweise hätte Alex so ein Ding nie angerührt. Aber für Georgine? Für Georgine musste man Kompromisse eingehen.
Also beschloss Alex, den Nachbarn Ronny zu fragen. Ronny war ein Typ mit Bart und Karohemd, der samstags gerne seinen Grill anzündete und dabei lautstark Schlagermusik hörte. Doch kaum war dieser Entschluss gefasst, nagten Zweifel an Alex. Was, wenn Ronny AfD wählt? Was, wenn er den Hammer nicht hergibt? Gestern hatte er nur mehr ein knappes „Moin“ genuschelt, statt wie sonst „Morgen, alles klar?“ zu rufen. War das ein Zeichen? War Ronny transphob? Alex hatte ihm doch nie etwas getan – außer vielleicht einmal genervt die Augen verdreht, als der Grillrauch in Ens Fenster zog.
Die Gedanken wurden zur Lawine. Was bildete sich dieser Ronny ein? Wenn jemand von Alex ein Bild von Georgine Kellermann borgen wollte – nicht, dass Ens das je erlauben würde –, würde Alex es großzügig hergeben. Aber Ronny? Der würde sicher nur grunzen: „Nö, brauch ich selbst.“ Wie konnte man einer Person wie Alex so eine simple Bitte abschlagen? Kerle wie Ronny, diese AfD-Wähler, vergifteten einem das Leben. Und dann noch diese Arroganz – dachte er etwa, Alex sei auf ihn angewiesen? Bloß weil er einen Hammer hatte? Einen Hammer! Dieses Phallussymbol, dieses Werkzeug der Unterdrückung!
Jetzt reichte es. Alex’ Wut kochte über. Dieser Nazi – ja, das Wort war gefallen – würde wahrscheinlich noch „Sieg He*l“ brüllen, wenn Ens anklopfte. Mit geballten Fäusten und dem Bild von Georgine unterm Arm stürmte Alex zur Tür hinaus, läutete bei Ronny Sturm und wartete nicht mal, bis er ganz öffnete. Als Ronny – verschlafen, in Jogginghose, mit einer Tasse Kaffee in der Hand – die Tür einen Spalt aufmachte, schrie ihm Alex feucht ins Gesicht: „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Cis-Mann!“ Dann drehte Ens sich um und marschierte zurück, überzeugt, einen Sieg errungen zu haben.